• +++ Das THINK TANK STADE Team bedankt sich bei allen Beteiligten. Anfang November erscheint die dokumentierende Broschüre zum Projekt +++

THINK TANK AUSSER HAUS, im Friseursalon Vagts am Hafen, 13.09.2018, vormittags

Im Friseursalon Vagts ist es relativ ruhig an diesem Vormittag. So habe ich direkt Gelegenheit, mit der Salonleiterin zu sprechen. Gefragt nach den häufigsten Themen, die hier besprochen werden, kommt wie aus der Pistole geschossen: „Urlaub und Reisen gefolgt von Kindern, Schule und Krankheiten“. Speziell in Stade sei auch das Thema Parkplätze ein Dauerbrenner. Auf die Frage, warum für sie der Beruf der Friseurin so attraktiv sei, antwortet sie, dass die Nähe zu den Kund*innen entscheidend sei. Man bekomme über die Dauer ein wirkliches Vertrauensverhältnis zu denen, was sich schon bei den Terminabsprachen zeige. Die Kund*innen würden dabei oft auf eine bestimmte Friseurin verweisen. Außerdem stimmten viele ehemalige Stader*innen Termine weit im Voraus ab für die Zeit, in der sie vorübergehend in der Stadt seien. Das gelte für Student*innen, für Menschen, die anderswo Arbeit gefunden haben und sogar für Hafenbenutzer, die den Salon während ihres „Stadetörns“ besuchten, erzählt mir eine Angestellte des Ladens.

Überhaupt sei der Tourismus ein wichtiges Zukunftsthema für Stade, bekräftigt sie Ihre Aussage. Hier in unmittelbarer Hafennähe sehe man auf der Straße ein internationales Publikum – Menschen aller Hautfarben und Nationen, auffallend viele Asiaten*innen. In ihren Gesprächen mit den Kunden vermeide sie eigentlich politische Themen, da wüsste sie nie wie das endet. Ihr Selbstverständnis sei wie das der Branche: „Der Kunde ist König“. Friseurin sei sie sehr gerne und habe auch mit ihrer langen Berufserfahrung immer noch das Bestreben, sich zu verbessern.

Eine 15jährige Praktikantin ist erst seit einer Woche im Laden. Sie wisse jetzt schon, dass sie im Salon eine Lehre machen will. Als wichtiges Thema für junge Leute sehe sie die Beratung zur Berufsorientierung schon in der Schule. Viele ihrer Mitschüler*innen besuchen weiterführende Schulen, weil sie einfach nicht so recht wissen was sie sonst machen sollen. In ihrer Klasse sei bei vielen Mädchen die Ausbildung zur Kindergärtnerin oder Erzieherin der meistgenannte Berufswunsch gewesen. Vielen ginge es aber auch in diesem jungen Alter schon darum, etwas zu machen, womit man viel Geld verdienen oder zumindest einen prestigeträchtigen Beruf ausüben könne.

Der Salon Vagts in der Hansestrasse liegt in unmittelbarer Nähe zum Stader Hafen.

Eine angesprochene Kundin nimmt sich nach ihrem Termin noch etwas Zeit, um mit mir über die Zukunftsthemen Stades zu sprechen. Sie komme zwar aus der Wingst, sei aber viel in Stade unterwegs, leitet sie das Gespräch ein. Sie findet das THINK TANK Projekt für Stader Zukunftsthemen interessant, weil sie sich auch an ihrem Wohnort in einer kirchlichen Gruppe engagiert, die sich mit Zukunftsvisionen beschäftigt. Zu den wichtigsten Themen zählt sie die Forderung nach einer neuen „Achtsamkeit“. Die könne sich unterschiedlich äußern, wie etwa in veganer Ernährung oder bei Umweltthemen.

Sie nennt die „Unverpackt-Läden“ als Beispiel, die gerade in vielen Städten eröffnen und in denen die Produkte weitgehend ohne Verpackung angeboten werden. Der Kunde bringt die – natürlich wiederverwendbare – Verpackung selbst mit und reduziert darüber seinen Plastikkonsum.

Sie beobachte in Ihrem persönlichen Umfeld wie auch in ihrer Arbeit als Psychotherapeutin die wachsende Bedeutung von Achtsamkeitstendenzen, gerade bei jungen Leuten, wie zum Beispiel der Umgang mit Stress. Zu den wichtigsten Zukunftsthemen gehöre auch eine offene Diskussion über die derzeitige Migrationsproblematik, die nicht von links oder rechts gesteuert sei. Zu diesem Thema habe sich der Dalai Lama geäußert und einerseits die europäische Verpflichtung zur moralischen Hilfe bekräftigt aber gleichzeitig vor einer Überforderung der aufnehmenden Länder gewarnt. Am wichtigsten sei ihr aber seine These, dass es anstelle vieler einzelner Religionen eine „säkularisierte Weltethik“ geben solle. Zum Ende des Gesprächs sind wir dann wieder bei ganz weltlichen Themen, beispielsweise, wie sich Stade sich als Einkaufsstadt positionieren könne. Sie wünsche sich, dass die vorhandene Struktur von hochwertigem Einzelhandel ausgebaut werde und findet, dass die neue Mall am Pferdemarkt das nur unzureichend einlöse.

Eine weitere Kundin, die ich vor der Tür antreffe, wohnt schon länger in Stade. Ihr sei aufgefallen, dass das ältere Publikum das Stadtbild präge. Damit könne sie sich nicht wirklich anfreunden, obwohl sie selbst gerade in Rente gegangen sei. Sie schiebt diesen Umstand auf die vorwiegend älteren Tourist*innen in der Stadt. Und überhaupt müsse Stade dringend mehr für jüngere Menschen tun, zumindest für eine bessere Durchmischung. In Buxtehude gelänge das doch auch. Sie habe lange in Oldenburg gelebt und gearbeitet, da sei es natürlich wegen der Studenten*innen ganz anders gewesen. Stade habe eben dieses „pittoreske, verstaubte und gemütliche“ Ambiente was ihrer Meinung nach dringend geändert werden müsse. Positiv vermerkt sie das sehr gute und umfangreiche Kulturangebot Stades.