• +++ Das THINK TANK STADE Team bedankt sich bei allen Beteiligten. Anfang November erscheint die dokumentierende Broschüre zum Projekt +++

THINK TANK AUSSER HAUS im Friseursalon Hair by Somitsch im Marktkauf-Center Stade, 24.09.18, nachmittags

Gegen 14.30 Uhr ist die komplette Belegschaft im Salon mit Kunden*innen beschäftigt. Anders als in den anderen Friseurläden, die ich besucht habe, werden hier keine Termine gemacht. Die Kunden*innen kommen spontan und nehmen auch Wartezeiten in Kauf. Salonbesitzer Rüdiger Somitsch erzählt mir, dass seine Kund*innen auch mal eine ganze Stunde Wartezeit für eine neue Frisur in Kauf nehmen. Dies habe viel mit der Lage im großen Marktkauf–Center zu tun. Viele Kunden*innen verbänden ihre Besorgungen und Einkäufe mit ihrem Friseurbesuch, sagt Somitsch.

Ich frage eine wartende Dame nach ihren Zukunftsthemen für Stade. Nach anfänglichem Zögern lässt sie mich doch an ihren Gedanken teilhaben. Wichtig sei ihr die Sicherung Stades als Wirtschaftsstandort. Allerdings solle die bitte nicht mit dem Neubau eines Kohlekraftwerkes einhergehen, mit aus China importierter Kohle, wo man andererseits unsere nordische Windenergie wegen der fehlenden Leitungsnetze nicht einmal in den deutschen Süden transportieren könne. Zudem moniert sie die fehlende Nachbesserung bei der Infrastruktur, wie die Instandhaltung und den Ausbau von Bahnstrecken, Fahrradwegen und Straßen. Stattdessen sei die Pflege der öffentlichen Blumenbeete und Rabatten nahe der Innenstadt die Hauptsache, fügt sie ironisch hinzu. Und diese Geschichte mit der Straßenausbausatzung – sie glaube noch nicht an deren Abschaffung, trotz des laufenden Wahlkampfes um das Amt der Bürgermeister*in. „Am Ende finden die doch noch einen Paragraphen, um das wieder zu kippen“, vermutet sie. 

Der Friseursalon Somitsch im Marktkauf-Center

Ein älterer Mann hat einen Bekannten zum Friseur begleitet und nimmt sich etwas Zeit für meine Fragen. Er wohne in einem eigenen Haus im nahen Stadtteil Hahle. Dort wie in der gesamten Stadt habe sich doch in den letzten Jahren einiges zum Guten verändert. Die Fassaden seien herausgeputzt worden, die Geschäftsentwicklung funktioniere auch in den Randbezirken, und Hahle selbst profitiere vom neuen Sanierungsprogramm. Dort beobachte er ein Kommen und Gehen, oft stünde der Umzugswagen im Quartier. Ob dies am neuen und besseren Image Hahles liege und wie sich der Stadtteil auf lange Sicht entwickeln werde, könne er nicht prognostizieren. Sollte es in Hahle ebenfalls zur Anwendung der STRABS kommen, würde er auch protestieren, wie die Schölischer. „Und überhaupt: Wenn es ums Geld geht, kommen sie Alle zusammen,“ sagt er. Dann entstehe eine Solidarität, die er sonst im Stadtteil vermisse. Bei der Stadtentwicklung solle man aufpassen, dass nicht wieder „irgendein Wachtelkönig“, als Naturschutzvorwand gefunden würde. Zudem sei damals bei den Plänen für die BMW-Ansiedlung der Autobahnausbau über mehrere Jahre geplant aber doch nicht umgesetzt worden. Seine Tochter, erzählt er, sei nach Buxtehude gezogen, weil sie zur Arbeit nach Hamburg fast eine halbe Stunde weniger brauche. Der Bekannte meines Gesprächspartners erweitert die Runde, bevor beide den Salon verlassen. Für ihn sei man in seinem Wohnort Wiepenkathen „doch sehr für sich“.

Rüdiger Somitsch erzählt mir während einer Pause, dass sie Stamm- wie Laufkundschaft haben und das er in den letzten Jahren mehrfach im Center umgezogen ist. Dabei habe er sich stetig vergrößert und das habe auch immer "was gebracht". Er besitze einen zweiten Laden in der Dankerstrasse, wo das Publikum ganz anders sei, wie er sagt, vor allem deutlich älter als hier. Häufig würde er die Unterhaltung mit den Kunden*innen mit den Fußballergebnissen des Wochenendes beginnen, obwohl er sich dafür selbst nicht sonderlich interessiere. Aber ein 0:5 des HSV im eigenen Stadion sei doch ein besserer Weg, eine interessante Unterhaltung zu starten, als mit dem Wetter. Natürlich gebe es auch Fans vom Werder Bremen im Laden. Seine bevorzugte Sportart, der regionale Basketball, den könne er dann nur mit mir und wenigen anderen Kunden profunde diskutieren. Seine weiblichen Angestellten hätten sicherlich andere Themen drauf, Boulevard mit Königshäusern und so. Da kenne er sich dann nicht mehr aus, räumt er ein.

Von einer 13jährigen aus Drochtersen erfahre ich, dass sie Stade und vor allem den Pferdemarkt als Ausflugsziel und Treffpunkt mit Freund*innen nutzt. Allerdings müsse sie dort hingebracht und abgeholt werden. Gerne gehe sie im Moment noch zu den Festen in Drochtersen und könne sich sehr gut vorstellen, auch später im Ort wohnen zu bleiben. Es werde im Moment auch viel gebaut, und die Ortschaft würde stetig wachsen.

Inzwischen wird eine Familie im Laden bedient. Der Vater und zwei Söhne werden gleichzeitig frisiert. Das gibt mir Gelegenheit, mit dem Großvater zu sprechen. Sie kämen aus Kutenholz, wo erstaunlich viel Wohnungsbau stattgefunden habe, erzählt er. Das Wohngebiet, das dort nicht nur für Einheimische entstanden sei, sei nicht in Rekordzeit wie das in Riensförde aus dem Boden geschossen. Dennoch spüre man selbst in dieser dörflichen Region den Bauboom. Wichtig für den Ort sei die Anbindung mit der EVB (Eisenbahnen und Verkehrsbetriebe Elbe-Weser). Auch Airbus-Mitarbeiter lebten dort und pendelten nach Hamburg oder Stade.

Ein brennendes Zukunftsthema für Stade finde ich hier nicht heraus. Einer der Söhne, der inzwischen seinen Haarschnitt mit blau gefärbter Strähne komplettiert bekommt, erzählt mir vom FC Mulsum/Kutenholz. Dort sei er nicht aktiv, dafür spiele er Fußball auf seiner Spielkonsole. Zu guter Letzt verteilt die Belegschaft Lollys an die Kinder.