• +++ Das THINK TANK STADE Team bedankt sich bei allen Beteiligten. Anfang November erscheint die dokumentierende Broschüre zum Projekt +++

THINK TANK AUSSER HAUS auf dem Inselmarkt, 30.09.18, 11.00 – 14.55 Uhr

Die erste Passantin, die sich an meinem THINK-TANK-Infostand auf dem Inselmarkt einfindet, erzählt mir von ihren Erfahrungen mit der Mobilität rund um Stade. Sie komme aus Hollern und verzichte ganz bewusst auf ein eigenes Auto. Sie sei also auf den öffentlichen Nahverkehr angewiesen und habe auch die „roten Mitfahrbänke“ ausprobiert. Gehalten habe leider noch niemand, berichtet sie. Vielleicht müsse doch noch ein zusätzliches Signal an den Bänken die Aufmerksamkeit der vorbeifahrenden Autos und somit die Funktionalität erhöhen.

Sie hat sich noch mehr Gedanken zum öffentlichen Nahverkehr gemacht. Beispielsweise finde sie eine Spätrundfahrt Richtung Hollern sinnvoll. „Dann kann man mal abends ins Kino gehen“, sagt sie. Vielleicht könne man dazu das Angebot der Anrufsammeltaxis verbessern, wenn etwa auch normale Taxis auf dieses alternative Angebot hinweisen würden.

Sie sei auch für eine andere Preispolitik im öffentlichen Nahverkehr. Der würde dadurch deutlich intensiver genutzt werden. Einen ein-Euro-Tarif für bestimmte Zonen könne hier möglicherweise helfen. „Auf jeden Fall sollten wir Fragen der Mobilität nicht der Automobilbranche überlassen, die sowieso die Politik in der Zange hat“, appelliert sie.

Zu guter Letzt fordert sie als fleißige Deichspaziergängerin mehr Rücksicht von Hundebesitzern. Die würden viel zu oft ihren Hundekot liegenlassen. Zudem schlage sie sichtbare Hundekennzeichen nach Vorbild der Autos vor. Damit sei eine Nachverfolgung mit Beschwerde möglich, die dann auch Konsequenzen haben könne.

Eine andere junge Frau erzählt von ihren Erfahrungen mit dem öffentlichen Nahverkehr auf der Strecke nach Hamburg. Diese Verbindung nutze sie seit acht Jahren nahezu täglich. Die Unzuverlässigkeit der Verbindungen sei ja sprichwörtlich und habe sich weiter verschlechtert. Ein Grund sei vielleicht, dass sich der Betreiber Metronom ohnehin zurückziehen und die Strecke einer Tochtergesellschaft der Deutschen Bahn überlassen würde. Man habe daher, so vermutet sie, die notwendigen Wartungen einfach vor sich hergeschoben, bis man aus der Verantwortung sei. Auch für den innerstädtischen Individualverkehr sehe sie Bedarf an vernünftigen Konzepten, wenn man die Staus zu den Stoßzeiten rund um 15 und 17 Uhr vermeiden wolle. Die hätten großstädtisches Ausmaß, sagt sie.

Eine weitere Besucherin sieht bei den wichtigen Themen für Stade das geplante Kohlekraftwerk ganz vorne. Dies sei ein absolutes „No-Go“, wie sie sagt. Bei der Sicherung Stades als Industriestandort mahnt sie an, dass die Gewerkschaften nicht ausschließlich wie Arbeitgeber mit der Sicherung von Arbeitsplätzen argumentieren sollten. Vielmehr sollten die sich wieder mehr für bessere Arbeitsbedingungen und bessere Qualität der Arbeitsplätze einsetzen. Die Elbvertiefung und ihre Auswirkungen auf Ökosystem und Hochwasserschutz beunruhigten sie. Vor allem sehe sie die steigende Fließgeschwindigkeit der Elbe kritisch. Die würde möglicherweise viele neue Probleme schaffen.

Als sie die Straßenausbauverordnung kritisiert, kann ich sie dann aber beruhigen: Die wurde kürzlich vom Stader Rat kassiert. Das habe sie noch nicht gewusst, da sie das Stader Tageblatt nicht lese.

Alt und Neu, dicht beieinander auf dem Inselmarkt.

Elektromobilität ist für viele Besucher*innen ein zentrales Thema. Das mag auch daran liegen, dass auf dem Inselmarkt E-Autos ausstellt sind. Auch ich bekomme Anfragen über eine Probefahrt mit unserem Projekt-Mobil, einem BMW i3. Ein Besucher erzählt mir von seinem E-Motorroller und den Schwierigkeiten, als Mieter eine passende Ladesteckdose installiert zu bekommen. Insgesamt glaube er eher an die Zukunft der Wasserstoff-Technologie als an Akkus und Batterien als Energiespeicher. Auch ein älteres Paar aus Freiburg im Breisgau interessiert sich für unser E-Mobil. Sie erzählen von einer Teststrecke für E-LKW mit Oberleitung an einer Autobahn im Rhein-Main Gebiet. Der Anblick habe sie eher beunruhigt und an Science-Fiction-Filme erinnert. Die beiden kommen seit 40 Jahren nach Stade, um Urlaub bei der Verwandtschaft zu machen. Sie hätten das Gefühl, dass Stade immer „verschlafener“ werde.

Mein Standnachbar auf dem Inselmarkt ist ein Biohof aus Cuxhaven. Verkauft werden vor allem Eier. Zum Vergnügen der Besucher gibt es ein Freigehege mit Hühnern inklusive Hahn. Auf seine Themen für die Stader Zukunft angesprochen, antwortet mir der Landwirt, dass er nur zwei Mal im Jahr zu den Inselmärkten in Stade sei. Bei ihm in Cuxhaven sei die Windenergiesparte von Siemens ein wichtiger Faktor. Allerdings löse das Unternehmen das Versprechen, Arbeitsplätze in die Region zu bringen, nicht ein. „Die bringen fast die komplette Belegschaft mit“, sagt er. Aber regenerative Energien seien wichtig. Wenn sich aus Wasserkraft, Erdwärme, Sonnenkollektoren und Windkrafträdern eine wirkliche Alternative zu bestehenden Energieträgern entwickelt habe, sei dies ein wichtiger Schritt, den Klimawandel abzumildern. Als Biobauer sei die Gegend um Cuxhaven und das nördliche Kehdingen eine gute Gegend mit genügend Flächen und Ressourcen.

Als ich noch mit den letzten Passant*innen im Gespräch bin, meldet sich schon das Elbeklinikum. Dort warten schon Besucher, die sich an der Gesprächsrunde beteiligen wollen. Eilig packe ich meine Sachen und breche auf.

THINK TANK AUSSER HAUS im Elbeklinikum Stade, 15.05 bis 16.30 Uhr

Mit leichter Verspätung komme ich im Wartebereich des Elbeklinikums an. Ein Paar berichtet mir gleich, dass es vorher auch auf dem Inselmarkt gewesen sei und den Infostand des THINK TANKs gesehen habe. Das Thema „Mobilität im Alter“ war dort ausgehängt, und die beiden haben sich spontan entschieden, dafür in die Klinik zu kommen. Der Mann stamme aus Stade und sei über Studien-, Wohn- und Arbeitsstationen in Hamburg, Buxtehude und Nordenham inzwischen wieder in Bützfleth ansässig. Auf das geplante Kohlekraftwerk in Bützfleth angesprochen, sagt er, er sehe das deutlich gelassener als die meisten Menschen. Er habe lange im Kernkraftwerk gearbeitet und glaube, dass die deutschen Umweltstandards und Ingenieursleistungen ein ganz anderes Kraftwerk möglich machen, vor allem mit deutlich niedrigeren Emissionen, als wir das aus der Vergangenheit kennen würden.

Als wir beim Thema Mobilität im Alter ankommen, stellt sich heraus, dass die beiden passionierte Fahrradfahrer sind und sich sehr gut mit E-Bikes und allen technischen Innovationen rund um das Thema auskennen. Allerdings erzählen sie auch von den täglichen Schwierigkeiten, wenn man hierzulande mit dem Rad unterwegs ist, beispielsweise von nicht vorhandenen Fahrradspuren in Kreisverkehren. Insgesamt ließe sich an der Fahrradinfrastruktur doch vieles verbessern. Genau bei diesem Thema müsse man zudem ansetzen, um das provinzielle mobile Denken hier zu überwinden. Die 85-jährige Mutter des Mannes wohne ebenfalls in Bützfleth und sei immer noch mit dem eigenen Auto unterwegs. Er selber denke eher an die Machbarkeit von Fahrradtaxen, die auch gehandicapte Menschen im Stadtverkehr umweltfreundlich von A nach B bringen könnten. Er verfolge intensiv die Entwicklung von Fahrrad-Rikschas und wolle jetzt sogar eine spezielle Messe für solche Fahrzeuge besuchen. Er schwärmt von den Entwicklungen im Scooter- und Elektromobilitätsbereich, wie zum Beispiel aufgeklebte Fotozellen auf einem Fahrzeug-Chassis. Außerdem habe er von Workshops für Nutzer*innen von Rollatoren gehört, die sicherlich Sinn machen würden – so blöd wie sich das auch anhöre. Insgesamt kommen die Beiden zu dem Ergebnis, dass die vielen angesprochenen Innovationen im Bereich Mobilitätsausbau grundsätzlich ausreichend sind. Vor allem aber müsse man die durch eine entsprechende Infrastruktur auch nutzbar machen.